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Update: Arbeitgeber müssen Arbeitszeit erfassen!

02.02.2023
4 min

Unsere Auszeichnungen

Wie in unserem Artikel von Mitte September 2022 bereits dargestellt (https://korten-ag.de/blogs/neue-pflicht-zeiterfassung-eugh) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem nunmehr schriftlich vorliegenden Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 festgestellt, dass Arbeitgeber per sofort gesetzlich dazu verpflichtet sind, die tägliche Dauer der Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer vollständig aufzuzeichnen.

Vorausgegangene Entscheidung des EuGH

Dem Beschluss des BAG war das sogenannte „CCOO“-Urteil des EuGH vom 14.5.2019 – C-55/18 vorausgegangen. Das Urteil des EuGH erging auf eine Verbandsklage der spanischen Arbeitnehmervereinigung CCOO gerichtet auf die Feststellung, dass die Deutsche Bank SAE (spanische Tochter der Deutsche Bank AG) verpflichtet sei, ein System zur Erfassung der von ihren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Der EuGH legte in seiner Entscheidung die europäische Arbeitszeitrichtlinie dahingehend aus, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber gesetzlich verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die von ihren Arbeitnehmern täglich abgeleistete Arbeitszeit gemessen werden kann. Eine direkte zwingende Wirkung zur Einrichtung von Arbeitszeiterfassungssystemen folgte aus der Entscheidung des EuGH hingegen nicht.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Der Beschluss des BAG hat einen betriebsverfassungsrechtlichen Hintergrund. Die Betriebsparteien stritten über die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einrichtung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems zusteht, mithin ob der Betriebsrat die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems eigenständig einfordern und notfalls einklagen kann. Das in erster Instanz mit der Sache beschäftigte ArbG Minden hatte den Feststellungsantrag des Betriebsrats, dass ihm ein solches Initiativrecht zustehe, abgewiesen; das Landesarbeitsgericht Hamm hatte ihm auf die Beschwerde des Betriebsrates hin stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG Erfolg. Das BAG stellte das erstinstanzliche Urteil des ArbG Minden mit der Begründung wieder her, dass der Arbeitgeber bereits von Gesetzes wegen aus § 3 Abs. 2 ArbSchG verpflichtet ist, ein System zur Erfassung der von den beschäftigten Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, welches Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst. Für ein daneben bestehenden Initiativrecht des Betriebsrates ist deshalb kein Platz, § 87 Abs. 1 BetrVG. Dem Betriebsrat steht aber ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems und seiner Anwendung zu.

Das BAG führte in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers weder aus unionsrechtlichen Vorschriften noch aus einer Auslegung des Arbeitszeitgesetzes folge, sondern aus § 3 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz), der den Arbeitgeber verpflichtet, zur Planung und Durchführung der notwendigen Arbeitsschutz-Maßnahmen für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und die „erforderlichen Mittel“ bereitzustellen. Bei unionsrechtskonformem Verständnis beinhalte diese gesetzliche Regelung auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein System zur Erfassung der von den Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen und zu verwenden, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst.

Kernaussagen des Urteils

Für Arbeitgeber gelten ab sofort folgende Verpflichtungen:

• Arbeitgeber sind künftig zur Einführung und Verwendung eines Arbeitszeiterfassungssystems verpflichtet, das Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer erfasst (inkl. Überstunden).

• Die Verpflichtung der Arbeitgeber besteht jedoch nur gegenüber Arbeitnehmern im Sinne des § 5 BetrVG und somit beispielsweise nicht gegenüber Geschäftsführern, leitenden Angestellten und nahen Angehörigen des Arbeitgebers.

• Das Zeiterfassungssystem muss ferner nicht zwingend elektronisch, sondern kann z.B. auch in Papierform ausgestaltet sein.

• Ferner ist es dem Arbeitgeber erlaubt, die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung auf seine Arbeitnehmer zu delegieren. Die Vertrauensarbeitszeit, bei der der Arbeitgeber die Einhaltung der Arbeitszeit nicht kontrolliert, bleibt also möglich, solange der Arbeitnehmer selbst seine Arbeitszeit erfasst.

• Der Betriebsrat ist bei der Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems zwingend einzubinden, ihm steht insofern ein Mitbestimmungsrecht zu.

• Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einführung und Verwendung eines Arbeitszeiterfassungssystems dürfte ohne konkrete behördliche Anordnung derzeit sanktionslos bleiben.

Fazit

Für Arbeitgeber besteht dringend Handlungsbedarf. Sie sind fortan gesetzlich verpflichtet, Arbeitszeiterfassungssysteme einzuführen oder bereits bestehende Systeme an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes anzupassen. Flexible Arbeitszeitsysteme wie die Vertrauensarbeit bleiben dennoch rechtlich möglich. Es ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber zeitnah die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung und ihrer Modalitäten umfassend gesetzlich regeln wird, wahrscheinlich durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes.

Autor: Rechtsanwalt Paul-Benjamin Gashonl

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