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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil (II ZR 91/21) vom 08.11.2022 entschieden, dass ein Mitgesellschafter keinen Anspruch gegen den Geschäftsführer einer GmbH auf Unterlassung der Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste hat. Dieser Anspruch besteht nach der herrschenden und vom BGH vertretenen Auffassung nur gegenüber der Gesellschaft, nicht jedoch gegenüber dem Geschäftsführer. Ist der Geschäftsführer allerdings zugleich Gesellschafter, ergibt sich ein Unterlassungsanspruch der Mitgesellschafter aus der Treuepflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers als Anteilseigner.
Infolge eines Erbfalles kam es zum Streit zwischen der Ehefrau des Erblassers, die 80% der Anteile an der GmbH erben sollte und einem Dritten, der die verbleibenden 20% erhalten sollte. Unter der aufschiebenden Bedingung, dass sie den Alleinerbschein erhalte, trat die Frau und spätere Beklagte in Erfüllung des Vermächtnisses ein Fünftel der Anteile an den Dritten und späteren Kläger ab. Die Beklagte wurde zur Geschäftsführerin der Gesellschaft berufen. In der Folge forderte der Kläger die Beklagte zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf, um diese als Geschäftsführerin wegen gravierender Pflichtverletzungen abzuberufen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten gab an, Zweifel an der Gesellschafterstellung des Klägers zu haben und eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen zu wollen. Dagegen richtete sich der Kläger mit einer einstweiligen Verfügung. Das Landgericht Stade und das Oberlandesgericht Celle entschieden im Hauptverfahren zugunsten des Klägers, der BGH bestätigte dies im Ergebnis.
Die Treuepflicht als richterrechtliche Generalklausel findet nach heute einhelliger Auffassung in allen Körperschaften Anwendung. Demnach in der Aktiengesellschaft (AG), der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), dem eingetragenen Verein (e.V.) und der eingetragenen Genossenschaft (e.G.). Sie verpflichtet dabei sowohl Gesellschafter/Mitglieder/Aktionäre als auch Organe zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zum Handeln im Interesse der Gesellschaft. Für Gesellschafter-Geschäftsführer hat die Treuepflicht zwei Ausprägungen: die Geschäftsführerstellung gegenüber der Gesellschaft und die Gesellschafterstellung gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern. Den Geschäftsführer trifft eine organschaftliche Treuepflicht, durch die er nach innen der Gesellschaft zum Handeln in ihrem Interesse verpflichtet ist. Die Treuepflicht besteht allerdings nicht gegenüber den Gesellschaftern. Die Gesellschafter sind durch die Treuepflicht zu rücksichtsvollem Handeln sowohl gegenüber der Gesellschaft, als auch gegenüber den einzelnen Gesellschaftern angehalten.
Die Treuepflicht der Gesellschafter kann beispielsweise beinhalten: aktiv die Interessen der Gesellschaft, in der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise wahrzunehmen sowie den Zweck zu fördern, Verschwiegenheit zu wahren, Stimmenthaltung bei Interessenskollisionen oder Verbote, die Gesellschaft in der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen. Damit ist die Reichweite der Treuepflicht im Rahmen der Gesellschafterstellung eingeschränkt. Da der Gesellschafter sowohl uneigennützige Rechte (wie das Zustimmungs- und Widerspruchsrecht bei Gesellschafterbeschlüssen), als auch eigennützige Rechte (insbesondere Vermögensrechte) innehat, ist die Treuepflicht immer Gegenstand einer Abwägung von Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen. Als Geschäftsführer wird dieser hingegen ausschließlich im Interesse der Gesellschaft tätig. Die Treuepflicht ist daher besonders weitreichend und wird nicht durch Gesellschaftsvertrag beschränkt, da ein Eigeninteresse des Geschäftsführers hinter Gesellschaftsinteressen zurückstehen muss und sich die Treuepflicht nicht aus Vertrag, sondern aus organschaftlicher Stellung ergibt. Es handelt sich bei der Geschäftsführungsbefugnis stets um ein uneigennütziges Recht. Folge der Treuepflicht ist ein Verbot für den Geschäftsführer, die Organstellung im persönlichen Interesse auszunutzen und sich zu bereichern.
Beim Gesellschafter-Geschäftsführer treffen also beide Ausprägungen der Treuepflicht zusammen, sodass eine umfassende Rücksichtnahmepflicht besteht. Der BGH hat durch das Urteil (II ZR 91/21) vom 08.11.2022 hierzu zwei Aspekte hervorgehoben. Einerseits sieht der BGH im Rahmen von Treuepflichtverletzungen des Geschäftsführers im Einklang mit der herrschenden Auffassung nur die Gesellschaft als passivlegitimiert an, nicht hingegen den Geschäftsführer selbst. Dies unterstreicht die ausschließliche Interessenwahrung der Gesellschaft, zu der der Geschäftsführer verpflichtet ist. Andererseits verdeutlicht das Urteil das Zusammenspiel zwischen der Treuepflicht des Geschäftsführers und der des Gesellschafters, wenn beide Funktionen in einer Person zusammentreffen.
Autorin: Marie-Luise Nalop
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Treuepflichten eines Gesellschafter-Geschäftsführers
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